Anspruch und Wirklichkeit: Die Impfpflicht

Anspruch und Wirklichkeit: Die Impfpflicht

Deutschlandfunk am 13.1.2021:

Bundesgesundheitsminister Spahn (CDU) zur Impfdebatte„In dieser Pandemie wird es keine Impfpflicht geben“

 

 
 
 

Zwischen Anspruch und Wirklichkeit

Nachrichten und Informationen sind im digitalen Zeitalter extrem flüchtig. Kaum hat man eine Meldung bewußt wahrgenommen, wird sie bereits von zahllosen neuen,  Meldungen verdrängt.
Das beeinträchtigt den Prozess der persönlichen und öffentlichen Meinungsbildung extrem. Die Kenntnisnahme unterschiedlicher Standpunkte und Meinungen, die Überprüfung von Fakten, der Austausch über Informationen zur Meinungsbildung und die Verfolgung von Nachrichten und ihre Entwicklung über einen längeren Zeitraum.
 

Im Januar 2021 erklärt Jens Spahn in einem Interview:

“Er verstehe, wenn die Menschen müde werden und keine Lust mehr auf die Kontaktbeschränkungen hätten. Aber die Maßnahmen müsse man noch zwei, drei Monate durchhalten, dann werden die begonnenen Impfungen einen „echten Unterschied machen“, sagte Spahn.

Weiter heißt es: “Ich habe im Bundestag mein Wort gegeben: In dieser Pandemie wird es keine Impfpflicht geben. Und das gilt“, so Spahn. „Wir setzen auf Argumente, auf Information und Vertrauen in den Impfstoff.“

Heute, im August 2021 sind viele Einschränkungen noch in Kraft. Die einen nennen es Grundrechtseingriffe, die anderen notwendige Beschränkungen aus Solidaritätsgründen, Schutzmaßnahmen für ältere Menschen, Reduzierung von Privilegien , usw…

Dazu sagt die Juristin Anika Klafki bei bpb zu der Frage: Wie bewerten Sie aus verfassungsrechtlicher Perspektive, ob die Voraussetzungen für die Einschränkung von Grundrechten gegeben sind?

“Zum einen muss es eine hinreichend bestimmte gesetzliche Grundlage für die Maßnahme geben. Das halte ich – wie schon gesagt – bei einigen der aktuellen Maßnahmen für zweifelhaft. Die Gerichte sind da aber weniger streng. Die meisten Verwaltungsgerichte halten die Generalklausel des § 28 Abs. 1 S. 1 IfSG angesichts der außergewöhnlichen Situation für ausreichend, um die gegenwärtig geltenden Maßnahmen zu stützen. Einen zweiten Prüfmaßstab bildet der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die konkret getroffene Maßnahme muss für ein legitimes Ziel geeignet sein – hier also für die Verhinderung der Ausbreitung des Virus. Außerdem muss man prüfen, ob die Maßnahme erforderlich ist. Dazu muss sie das mildeste unter den gleichgeeigneten Mitten darstellen. Schließlich muss die Maßnahme auch bei Abwägung der betroffenen Grundrechte angemessen sein.”

Nun steht ein weiterer Grundrechtseingriff zur Debatte: Die Impfpflicht gegen Corona!

Dabei sind eine direkte und indirekte Impfpflicht zu unterscheiden. Wenn Jens Spahn im Januar 2021 sich gegen eine direkte Impfpflicht ausspricht aber ausführt, daß die Impfungen einen echten Unterschied machen, dann bleibt viel Interpretationsspielraum, ob damit eine indirekte Impfpflicht gemeint ist.

Helge Braun hat als Kanzleramtsminister die Diskussion ins Rollen gebracht, als er sagte: “Geimpfte werden definitiv mehr Freiheiten haben als Ungeimpfte.”

Wenn ein Restaurantbesitzer festlegt, daß ausschließlich Geimpfte bei ihm einkehren dürfen, dann ist das von der privaten Vertragsfreiheit umfaßt.

Wenn dagegen der Staat festlegt, daß ausschließlich Geimpfte in ein Restaurant einkehren dürfen, dann ist das ein Grundrechtseingriff in die Freiheitsrechte des potentiellen Restaurantbesuchers, wie auch in die Freiheitsrechte des Restaurantbesitzers.

Wenn dann gleichzeitig weiter eine Corona-Testpflicht besteht und die Kosten privat zu tragen sind, dann wird eine indirekte Impfpflicht in ihrer Wirkung gefördert.

Wie weit darf der Staat mit seiner Gesundheitsfürsorge für jeden Einzelnen eigentlich gehen, ab wann setzt Eigenverantwortlichkeit und Eigenschutz ein, die Zwangssolidarität nicht zu einem politischen Dauerkonzept werden läßt?

Bei vielen Menschen ist mittlerweile der Eindruck entstanden, daß der Staat die Freiheitsrechte gewährt. Das Gegenteil ist der Fall. Freiheitsrechte sind Abwehrrechte gegen einen zu einflußreich sein wollenden Staat, gegen die umfassende Regelung und Regulierung aller individuellen und öffentlichen Bedürfnisse, gegen zuviel Fürsorge durch den Staat.

Das Bundesverfassungsgericht als Hüter von Verfassung und  Freiheitsrechten, hat alle Eilanträge zu Grundrechtseingriffen durch Corona-Maßnahmen zurückgewiesen. Es bleiben nur die Hauptsacheverfahren in ferner Zukunft, obwohl die aktuelle Lage einer Klärung durch das Gericht dringend bedarf. Es ist bemerkenswert, daß das Bundesverfassungsgericht in einer Zeit der umfangreichsten  Grundrechtseingriffe seit Inkrafttreten des Grundgesetzes schweigt und viel Zeit zu haben scheint, obwohl es über Eilanträge aktiv angerufen wurde und sich damit äußern konnte.

 

 

 
Eilanträge zu Corona BVerfG

 

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