Respekt den Verwaltungsgerichten

Respekt den Verwaltungsgerichten

Grundgesetz
OVG Lüneburg
 

Vorläufige Außervollzugsetzung der 2-G-Regelung im Einzelhandel

 
 
 “Die 2-G-Regelung im Einzelhandel in der konkreten Ausgestaltung nach § 9a Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 bis 3 der Corona-VO sei derzeit keine notwendige Schutzmaßnahme. Die Eignung zur Erreichung der infektiologischen Ziele sei durch die – fraglos erforderlichen – zahlreichen Ausnahmen in § 9a Abs. 1 Satz 2 Corona-VO bereits reduziert. Allein im von der 2-G-Regelung nicht umfassten Lebensmitteleinzelhandel finde der weit überwiegende Teil täglicher Kundenkontakte statt. Auch die Erforderlichkeit sei zweifelhaft. Der Senat habe bereits mehrfach beanstandet, dass verlässliche und nachvollziehbare Feststellungen zur tatsächlichen Infektionsrelevanz des Geschehens im Einzelhandel fehlten. Es sei nicht ersichtlich, dass die Erforschung von Infektionsumfeldern auch durch das Land Niedersachsen intensiviert worden wäre, um die Zielgenauigkeit der Schutzmaßnahmen zu erhöhen”, so steht es in der Presseerklärung vom 16.12.2021.
Bereits wenige Tage vorher, hatte sich das OVG zur

“Vorläufige Außervollzugsetzung der 2-G-Plus-Regelung bei körpernahen Dienstleistungen”,

eindeutig positioniert:

“Der mit der 2-G-(Plus)Regelung verbundene vollständige Ausschluss Ungeimpfter von allen körpernahen Dienstleistungen sei unangemessen und unter Berücksichtigung des aktuellen Infektionsgeschehens in Niedersachsen keine notwendige Schutzmaßnahme. Das Infektionsrisiko bei der Inanspruchnahme körpernaher Dienstleistungen sei regelmäßig auf nur wenige gleichzeitig anwesende Personen beschränkt und könne durch Basisschutzmaßnahmen (bspw. FFP-2-Maske, Testnachweis und Kontaktdatenerfassung) deutlich reduziert werden.”

legal 1st Kommentar:  
Beide Beschlüsse des OVG – und es werden andere Verwaltungsgerichte folgen, verdienen hohen Respekt angesichts des “Pandemievorbehalts der Grundrechte”, wie ihn das Bundesverfassungsgericht mit seinem Beschluß zur Bundesnotbremse festgestellt hat.
Das OVG führt nicht nur eine Verhältnismäßigkeitsprüfung in Bezug auf die Maßnahmen in Niedersachsen durch, es zeigt auch die vom Bundesverfassungsgericht erhofften Grenzen für politisches Handeln auf,
Der Senat mahnt verläßliche Daten für das tatsächliche und nicht nur vermutete Infektionsgeschehen an, um auf dieser Grundlage überhaupt Grundrechtseingriffe rechtfertigen zu können.
Weiter stellt der Senat fest:”Schwerwiegende öffentliche Interessen, die einer vorläufigen Außervollzugsetzung der danach voraussichtlich rechtswidrigen Regelung entgegenstünden, seien nicht gegeben. Unter Berücksichtigung der in den zurückliegenden Corona-Verordnungen getroffenen Infektionsschutzmaßnahmen und des aktuellen Infektionsgeschehens auch im Land Niedersachsen sei die 2-G-Regelung im Einzelhandel kein wesentlicher Baustein in der Strategie der Pandemiebekämpfung des Landes Niedersachsen. Dies folge auch nicht aus der maßgeblich politischen Festlegung in der Besprechung der Bundeskanzlerin mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder am 2. Dezember 2021.”
Der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts widmen dem Thema Corona und Grundrechten das erste Kapitel seines Buches “Freiheit in Gefahr”.
Eindrucksvoll schreibt er nicht nur, daß man “Erkämpftes nicht leicht verspielen dürfe”, sondern er zeigt Grenzen und Pflichten des Handelns und Nicht-Handelns von Exekutive und Legilative auf.
Sein Buch unterstreicht die Feststellung: Gut, daß es in Deutschland Verwaltungsgerichte gibt, die in aller Unabhängigkeit auf dem Boden des Grundgesetzes ihre Aufgaben wahrnehmen!
 
 

 

 

 
 
 

 

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