tot – toter – am totesten – Butscha???
Russland behauptet, USA hätten Aufnahmen in Butscha »bestellt«
tot – toter – am totesten – Butscha???
Ticken so Politik und Medien, wenn jetzt – nach wochenlangem Krieg und Töten – angesichts der Bilder aus Butscha nun eine Grenze erreicht sein soll und alle erschüttert sind?
Tagesschau: Entsetzen nach Gräueltaten in Butscha
Die Zeit: Die Gräuel von Butscha
FAZ: Entsetzen über Leichenfunde in der Kiewer Vorstadt Butscha
DW: Weltweite Empörung über Gräueltaten in Butscha
ntv: Tote Zivilisten in Butscha – Schwesig erschüttert über „Gräueltaten“
Der erste Satz im ersten Artikel des Grundgesetzes heißt:
Die Würde des Menschen ist unantastbar.
Da steht „des Menschen“, da steht nicht der Menschen oder der Menschen, von denen man Bilder hat. Jeder einzelne Mensch ist einmalig und in seiner Würde zu achten. Eine Abwägung zwischen Menschenleben oder zwischen der Anzahl von Menschen – 1 oder 5 oder 100 oder 1000 oder mehr – kennt weder der christliche Glaube, noch unser Grundgesetz.
Warum heult die Welt nun mit den Bildern aus Butscha auf? Seit dem 24.2.2022 sterben tagtäglich Menschen unter menschenunwürdigen Umständen in der Ukraine, werden in ihren Wohnungen ermordet, bei der Flucht erschossen, vergewaltigt und mißhandelt. Jeder, der nun mit Butscha eine Grenze meint erkennen zu können, weiß dies seit Wochen.
Wer erst jetzt eine Grenzüberschreitung feststellt, nur weil Bilder von Toten auf der Straße gezeigt werden, wägt Menschenleben vor und nach Butscha ab. Das ist menschenverachtend und widerspricht nicht nur unserer Verfassung, sondern allen menschenschützenden Regelwerken weltweit.
Auch Politik und Medien sind an die Verfassung und damit an das Abwägungsverbot zwischen Menschen gebunden. Aber dieser Verpflichtung und Verantwortung wird man angesichts Quotenjagd, Beliebtheitssucht und Dauerwahlkampf selten gerecht. So kann man auch die Frage von Theo Knoll in der Sendung „Maybrit Illner“ an den ukrainischen Botschaft Melnyk einordnen, ob es eine Grenze für zivile Opfer gebe. Melnyks Antwort ist deutlich und im Sinne der Menschenwürde, für die wir alle stehen sollten, absolut richtig: „Diese Frage ist so zynisch, dass ich keine Antwort darauf geben werde.“
Butscha ist keine Grenze und keine Zeitenwende, Butscha finden immer wieder und überall in der Ukraine seit dem 24.2.2022 statt. Und nur weil es bisher keine Bilder von Toten auf Straßen gab, darf niemand die Gräueltaten in seinem Bewusstsein ausblenden oder verharmlosen. Benötigen wir tatsächlich im Jahr 2022 Bilder aus Mariupol, Charkiw oder dem Donbass um zu realisieren, daß dort schwere Verbrechen gegen die Menschlichkeit passieren?
Verbrechen, die die russisch-orthodoxe Kirche billigt, wenn Patriarch Kyrill I. russische Soldaten zum Kampf auffordert.
Papst Franziskus erwägt dagegen eine Reise nach Kiew und verdient nach all den Skandalen in der katholischen Kirche zum ersten Mal wieder Respekt, wenn er die Reise tatsächlich antritt.
Der Westen weiß über Satellitenbilder seit langem, was in Butscha und anderen Städten der Ukraine passiert. Für Pazifisten, Moralisten, Putinversteher oder unverbesserliche Ideologen zeigt Butscha nur eins überdeutlich, den Grund für die tiefe Überzeugung der Ukrainer, für ihre Freiheit und damit auch für unsere Freiheit kämpfen zu müssen.
Es wird Zeit, daß Politik und Medien in der Realität ankommen, und die “Vermarktbarkeit” des eigenen Handelns nicht über die Würde des einzelnen Menschen stellen.